Berufliches

Meine Anfänge als Audiotherapeut hatte ich schon, da gab es die Audiotherapie noch gar nicht. Die Grundsteine entstanden in Seminaren vom und für den DSB. Dem Deutschen Schwerhörigenbund. Damals gab es noch Kurse zum Erlernen des Absehens vom Mund für Menschen, die taub waren oder so schwerhörig, dass Hörgeräte allein nicht halfen. Cochlea-Implantate, die dann zu wieder besserem Hören verhelfen, wenn Hörgeräte nicht mehr ausreichen, waren damals noch nicht so verbreitet.

So kam es, dass wir Betroffenen Kommunikationsseminare, Absehkurse und LBG-Kurse (Lautsprachbegleitende Gebärden) entwickelten und gaben. Uns gegenseitig schulten im Umgang mit der Schwerhörigkeit. Hilfe war die Selbsthilfe. Das waren meine Anfänge. Das daraus mein (m)ein Job für mich entstehen sollte, das konnte ich damals noch gar nicht wissen.

Alles war ja ganz anders geplant:

In der Schule war schnell klar: Ich wollte an einen Schreibtisch. Bloß nichts mit hörgerichteter Kommunikation. Mein Vater hatte mir seinerzeit einen großen alten Eichenschreibtisch für mein Kinderzimmer besorgt; das war der Anfang eines Traums: Ich wollte mal einen großen Schreibtisch haben und daran arbeiten.

Dass Akten sortieren nichts für mich war und ist, das stellte sich erst im Job heraus, den ich zwar schnell fand, aber in dem ich genau so schnell überfordert war. Nicht mangels Qualifikation. Meinen Abschluss schaffte ich gut, vor allem weil meine Schulklasse in der Berufsschule gut mit meiner Hörschädigung umgehen konnte. (Im Gegensatz zu meiner Klasse / meinen Kursen auf dem Gymnasium) Aber Verstehen am Arbeitsplatz? In einem Großraumbüro? Und dann auch noch in der Exportabteilung? Das war für meine überschätzten Ohren zu viel…

Also studierte ich nach der Ausbildung im Kaufmännischen Wirtschaftspädagogik. Berufschlullehrer wollte ich werden. Dann kam noch im Studium alles anders.

Das Bildungszentrum für Hörbehinderte in Essen fragte an, ob ich nicht Lust hätte, Unterrichtseinheiten für Schüler:innen mit Hörbehinderung zu entwickeln in denen es um die Auseinandersetzung mit der Behinderung, um adäquaten Umgang mit derselben und um Festigung des Selbstwertgefühls als schwerhörender Mensch ging. Klar hatte ich Lust. 7 Jahre lang wurden im Projekt „Überblick“ Unterrichtseinheiten zum Umgang mit der Hörbehinderung an den Förderschulen HK des Landes NRW etabliert. „Hörgeschädigtenkunde“ war das Stichwort. Heute gibt es gute Angebote auch über die Grenzen von NRW hinaus:

Audiotherapeutische Inhalte in Kommunikationsseminaren, Unterrichtsinhalten und Projekten an Schulen für Hörbehinderte. Audiotherapie mit Schüler:innen. Und das, obwohl die Audiotherapie eigentlich die Erwachsenen zur Zielgruppe hatte.

Zeitgleich kam eine Anfrage aus dem Siegerland. Ich bekam eine Anstellung in einer der großen Rehaeinrichtungen für Menschen mit Hörbehinderte und durfte mich frei austoben und die Audiotherapie in einer Klinik etablieren. Es entstand das erste audiotherapeutische Konzept in einer Rehaeinrichtung.

Nach über 11 Jahren im Siegerland wechselte ich dann 2014 nach Ostwestfalen. Dort hatte ich das große Glück, eine Abteilung für Menschen mit Hörstörungen, Tinnitus und Schwindel, sowie Cochlea-Implantate (HTS) von klein auf in das bestehende Angebot der damals schon 40 Jahre alten Klinik zu implementieren. Zu zweit fingen wir damals an, nun ist die Abteilung HTS aus dem Rehasektor in Deutschland nicht mehr wegzudenken. Inzwischen gibt es Audiotherapeuten an allen Standorten von Kliniken mit einer Abteilung HTS. Angekommen!

Und wer weiß, wohin mein Weg mich noch führt 🙂

Die Arbeit mit den Kindern und Jugendlichen läuft natürlich weiter.

Denn: Je besser wir hörgeschädigte Kinder auf ein Leben als erwachsene/r Schwerhörige/r vorbereiten, desto weniger Schwierigkeiten werden sie zukünftig haben.

So arbeite ich seither mit Erwachsenen und Schüler:innen. Mit Angehörigen jeden Alters. Mit Eltern, Lerhrer:innen und Kolleg:innen von Menschen, die hörgeschädigt sind. Mehr nicht. Und nicht weniger.